Kirche anders erleben, entdecken, gestalten.

Kirche anders erleben, entdecken, gestalten.

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Kirche anders erleben, entdecken, gestalten.

Kirche anders erleben, entdecken, gestalten.

Unter diesem Motto stehen die „Erprobungsräume“ in der Ev. Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Dazu heißt es u.a. „Erprobungsräume verstehen sich als einen Prozess zur Förderung anderer Gemeindeformen. In ihnen werden neue Formen von Kirche im säkularen Kontext erprobt.“ Mitte September durften wir an einer Exkursion des oikos-Institutes für Mission und Ökumene der Ev. Kirche von Westfalen (EKvW) teilnehmen. Dabei haben wir mit insgesamt 16 Personen aus unserer Landeskirche verschiedene solcher Erprobungsräume besucht … Spannend!

An dieser Stelle nehmen wir euch mit hinein, in das, was wir erlebt haben.

„Darf ich für dich beten?“

12. September 2025 | Wir laufen durch die Plattenbausiedlung „Roter Berg“ in Erfurt und tauchen in eine andere Welt ein – zu DDR Zeiten haben hier bis zu 15.000 Menschen gelebt, mittlerweile sind es „nur“ noch etwas weniger als die Hälfte … Nach unserer Autofahrt aus dem Sauerland nehmen wir uns noch etwas Zeit für einen kleinen Spaziergang, bevor wir zu Gast sind im Begegnungszentrum ANDERS. Doreen und ich sind an diesem Wochenende mit Interessierten aus der Ev. Kirche von Westfalen auf „Exkursion zu Erprobungsräumen in der Ev. Kirche in Mitteldeutschland“. Wir entdecken gemeinsam, dass Kirche noch einmal ganz anders sein kann, als wir sie kennen.

Unsere erste Station führt uns in das Jesus-Projekt (www.jesus-projekt-erfurt.de). Der Gründer Michael Flügge erzählt uns seine Geschichte. Vor über zwanzig Jahren ziehen er und seine Frau mit einem kleinen Team aus Lüdenscheid in das Plattenbeugebiet im Erfurter Norden. Früher selbst drogenabhängig, will er nun für Menschen da sein, die ähnliche Probleme kennen: „Wir haben Jesus persönlich erlebt – das wollen wir anderen weitergeben.“ Sie mieten sich zwei Wohnungen und gehen raus zu den Menschen. Eine Einladung die die Mitarbeitenden immer wieder an die Menschen in der Plattenbausiedlung aussprechen: „Darf ich für dich beten?“ Heute ist das Jesus-Projekt eine anerkannte sozial-diakonische Lebens- und Dienstgemeinschaft im Plattenbaugebiet mit dem Begegnungszentrum ANDERS und vielen weiteren Angeboten.  

Wir sind sehr bewegt – besonders von dem großen Vertrauen, dass Gott wirkt und versorgt, auch mit dem nötigen Geld. Im Juni 2023 wird das Kinder- und Familienzentrum „bärenstark“ eröffnet, unter den Gästen sind auch Thüringens Ministerpräsident und Erfurts Oberbürgermeister. „Eigentlich haben wir nur für 600.000 € gebetet, aber schließlich hat Gott uns auch hier viel mehr gegeben.“ Die Worte klingen in mir nach: „Das Gebet ist das Alleinstellungsmerkmal der Christen!“ Ich frage mich: Wie vertrauensvoll bete ich eigentlich selbst? Ja, auch ich möchte mehr Menschen einladen: „Darf ich für dich beten?“ 

„Kirche zur Kaffeezeit“ 

13. September 2025 | Erfurt ist toll. Wir dürfen an diesem Wochenende im Augustinerkloster wohnen, entdecken die Altstadt – und tauschen uns im Landeskirchenamt der Ev. Kirche von Mitteldeutschland aus. 

Wir hören: Die EKM, gegründet 2009, hat wesentlich weniger Mitglieder als unsere Landeskirche (ca. 570.000 zu 1.900.000 ), dafür viel mehr Gemeinden (ca. 3.100 zu 430). 20 Prozent aller ev. Kirchen in Deutschland befinden sich in der EKM, davon stehen 98 Prozent unter Denkmalschutz. Die EKM ist „steinreich“, allerdings besteht jede Kirchengemeinde im Schnitt nur aus 180 Mitgliedern. Die Besucherzahl der Gottesdienste lag im Jahr 2022 bei durchschnittlich 18 Personen. Es gibt zu wenig Personal, aktuell befinden sich nur 796 Pfarrerinnen und Pfarrer, ordinierte Gemeindepädagoginnen und –pädagogen im aktiven Dienst. Thomas Schlegel, ehemaliger Kirchenrat, erzählt: „Schon lange ist spürbar, dass ‚klassische‘ Kirche an vielerorts nicht mehr funktioniert: Zu selten finden Gottesdienste statt. Es kommen zu wenige zusammen. Die Kirche wird kaum genutzt, Hauptamtliche erlebt man zu selten … Gleichzeitig experimentieren viele vor Ort, wie es anders gehen kann.“

Eine Diakonin erzählt ganz praktisch von ihrem Dienst in einem Kirchengemeindeverband mit 935 Gemeindegliedern in 17 (!) Orten. Sie zeigt Bilder aus Allstedt. Hier feierte Thomas Müntzer 1523 erstmals einen Gottesdienst vollständig in deutscher Sprache. Heute wird hier und in den Nachbarorten nun die „Kirche zur Kaffeezeit“ angeboten. Menschen lassen sich einmal im Monat am Sonntagnachmittag einladen. Mich begeistert die Leidenschaft, mit der die Diakonin an ihre Arbeit geht. „Gott wirkt – in jedem Ort! Und darum probieren wir Neues aus.“ Für Männer gibt es das Angebot „Bibel, Bier und Bratwurst“ …

Ich notiere mir: Kirche braucht Menschen, die sich gerade heute in allen Schwierigkeiten und Veränderungen von Gott leiten lassen, mutig Neues wagen und zuversichtlich losgehen. Davon will ich mich anstecken lassen. Danke für diese Eindrücke und Geschichten.

„Wo entdeckst du Mitmenschlichkeit?“ 

14. September 2025 | Die letzte Station unserer „Exkursion“ führt uns nach Bad Langensalza, ca. 35 km entfernt von Erfurt. Wir diskutieren im Auto über das bisher Erlebte und die Kennzeichen einer innovativen Kirche. Dabei merken wir, wie wichtig Haltung ist: „Bin ich bereit, Kirche neu zu denken, Traditionen beiseite zu legen, fröhlich den Menschen in meiner Umgebung  zu begegnen – mit Neugier, Freude und dem Vertrauen, dass Gott schon längst da ist, um uns zu überraschen?!“ 

Wenig später sitzen wir in einem Ladenlokal in der Innenstadt und besuchen den „Erprobungsraum“ (www.erporbungsraum-lsz.de). Hier finden verschiedenste Gruppen ein Zuhause. Schreibwerkstätten, Achtsamkeitsrunden, Gospelchöre und weitere Angebote gehören zum Programm vor Ort. Darüber hinaus sorgt ein Anhänger als mobile Bühne und Gaststube in der gesamten Region für neue Impulse. Spannend!

Zu Beginn feiern wir eine Morgenandacht, singen und lesen die Geschichte aus Lukas 10 rund um die Frage: „Wer ist denn mein Nächster?“ Dann wird es ganz praktisch. Wir sollen nach draußen gehen und uns die Umgebung anschauen, maximal zehn Minuten – unsere Aufgabe: „Wo entdeckst du Mitmenschlichkeit?“ Ich ziehe los und bleibe an einem liebevoll eingerichteten Café hängen: „Schwesterherz“. Noch ist es geschlossen. Wie hier wohl der Kuchen schmeckt? Wenig später führt mich eine kleine Gasse in die Hinterhöfe, manche Häuser sind heruntergekommen, aus einem Fenster im zweiten Stock erklingt laute Musik. Wer dort wohl wohnt? Später teilen wir in der Gruppe unsere Entdeckungen – so viele interessante Eindrücke. Und dann ein Gebet: „Du barmherziger Gott, wir bitten dich für alle, denen wir heute begegnen, die uns erwarten, mit denen wir es schwer haben, die uns lieb sind, um die wir uns sorgen. Kyrie.“ Ich denke wieder an das Café und das geöffnete Fenster … Gut, dass Gott schon da ist.

Und ich denke an die Menschen zuhause in Balve und Deilinghofen. Gut, dass Gott schon da ist. Hier möchte ich Mitmenschlichkeit leben.

Unser Fazit:
Wir sind sehr dankbar und reich beschenkt aus Erfurt zurückgekommen – und freuen uns, dass wir hier im Hönnetal mit euch gemeinsam Kirche erleben, entdecken und gestalten können.

Sven Körber und Doreen Wahl

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